Koreanische Kultur

Koreanische Adoptionen – ein Kapitel, das kaum jemand kennt

Koreanische Adoptionen – ein Kapitel, das kaum jemand kennt

Wenn man über Korea spricht, denkt man an K-Pop, K-Dramen oder das Essen. Kaum jemand weiß, dass das Land zugleich eines der wichtigsten Herkunftsländer internationaler Adoptionen war – mit einer Geschichte, die bis heute nachwirkt.

Nach dem Koreakrieg: Armut, Scham und ein neues System

Nach dem Ende des Koreakriegs 1953 lag das Land in Trümmern. Viele Kinder verloren ihre Eltern oder wurden von Müttern geboren, die sich in der Nachkriegsarmut keine Versorgung leisten konnten. Hinzu kam ein gesellschaftliches Stigma: Kinder unverheirateter Mütter galten als „unehelich“ und damit als sozial unerwünscht.

Die Regierung und internationale Hilfsorganisationen – vor allem aus den USA – begannen in den 1950er-Jahren, Adoptionen ins Ausland zu fördern. Anfangs waren es vor allem Kinder von koreanischen Müttern und US-amerikanischen Soldaten – viele von ihnen gemischtrassig, was in Korea damals besonders stark stigmatisiert war.

Exportierte Kindheit – die Ära der Massenadoptionen

Was zunächst als humanitäre Hilfe gedacht war, entwickelte sich in den 1960er- bis 1980er-Jahren zu einem regelrechten System. Private Adoptionsagenturen wurden staatlich unterstützt, um Kinder ins Ausland zu vermitteln – vor allem in die USA, nach Europa und Australien.

Schätzungen zufolge wurden über 200.000 koreanische Kinder international adoptiert. In Europa waren vor allem Schweden und Dänemark bedeutende Empfängerländer. Nach Deutschland kamen deutlich weniger Kinder: Zwischen 1953 und 2005 waren es rund 2.300.

Das hängt vermutlich auch mit den strengeren Adoptionsvoraussetzungen hierzulande zusammen, etwa dem Mindestalter der Adoptierenden und den aufwändigen Vermittlungsverfahren. Während Skandinavien relativ früh ein liberales Adoptionsrecht etablierte, blieb der Prozess in Deutschland komplexer und stärker reguliert.

Ich selbst habe in Deutschland bislang keine koreanisch Adoptierten kennengelernt – nur im Ausland. Vielleicht liegt das genau daran. Und vielleicht erklärt es auch, warum das Thema hierzulande noch immer so wenig bekannt ist.

Die Perspektive der Betroffenen

Für viele Adoptierte bedeutet das Leben zwischen zwei Welten eine lebenslange Suche nach Identität. Einige finden ihre leiblichen Familien wieder, andere stoßen auf geschlossene Türen – oder auf eine Gesellschaft, die das Thema lieber verdrängt.

Seit den 1990er-Jahren haben sich Gruppen koreanisch Adoptierter weltweit vernetzt, fordern Aufarbeitung und Transparenz. Die koreanische Regierung hat sich mehrfach entschuldigt, doch viele empfinden diese Schritte als zu spät und zu oberflächlich.

Der Verein „Koreanisch Adoptierte Deutschland e.V.“ setzt sich dafür ein, koreanischen Adoptierten in Deutschland eine Stimme zu geben. Er bietet Raum für Austausch, gegenseitige Unterstützung und persönliche Begegnungen – über Stammtische, Workshops und gemeinsame Projekte. Ziel ist es, die Perspektiven koreanisch Adoptierter sichtbar zu machen und Brücken zwischen den unterschiedlichen Lebensgeschichten zu schlagen.